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von Jürgen Werner
Stollberg, 03.03.2025
Michelle und Laura Kaulfuß sind seit Jahren die Leistungsträgerinnen schlechthin beim Handball-Verbandsligisten. Die Zwillinge verkörpern den Klub wie sonst kaum jemand und sind auch neben der Platte aktiv.
Zwönitz. Die Begegnung stellt Außenstehende immer mal wieder vor Rätsel. Unsichtbare Fragezeichen kreisen über dem Kopf. Ist es Laura? Ist es Michelle? Die eine, Laura Kaulfuß, hat einen kleinen Leberfleck am Kinn. Die andere, Michelle Kaulfuß, nicht. Laura ist außerdem ein bisschen größer – doch das sieht nur, wer das Glück hat, die beiden Schwestern gemeinsam anzutreffen. Kaum zu unterscheiden und unzertrennlich: eineiige Zwillinge eben.
Und nicht nur das. Die beiden jungen Frauen sind auch Handballerinnen. Und Leistungsträgerinnen. In der Frauenmannschaft des Zwönitzer HSV, die in der Verbandsliga West spielt, geht nichts ohne sie. Sie sind das doppelte Herz des Teams, der Motor, der alles am Laufen hält. Laura Kaulfuß führt mit 72 Treffern die vereinsinterne Liste der Torjägerinnen in dieser Saison an. Michelle Kaulfuß liegt mit 63 direkt dahinter. Jüngst, bei der knappen Heimniederlage gegen den Leipziger SV Südwest, brachten die beiden das Kunststück fertig, gemeinsam 19 der 21 Zwönitzer Tore zu werfen. Eine Demonstration der Stärke, auch wenn die beiden ein bisschen relativieren. „In so einer krassen Weise hatten wir das auch noch nicht“, so Michelle, die um wenige Minuten Ältere der beiden. Für Zwillinge ist das von großer Bedeutung.
Im Gleichschritt durch die Altersklassen
Mit ihren 24 Jahren sind die beiden Erzgebirgerinnen, die aus Brünlos stammen, noch immer in einem jungen Handballalter – und dennoch haben sie beim Zwönitzer HSV, ihrem Heimatverein, bereits einen langen Weg beschritten. Als Sechsjährige schon fand Michelle Kaulfuß den Weg in die Sporthalle, dank eines Schnupperangebots im Kindergarten. Laura folgte ihr in der Grundschule – sie spielte zunächst Fußball, gleich nebenan, beim FSV Zwönitz. „Leider haben die mich immer ins Tor gestellt. Da hat es mir irgendwann keinen Spaß mehr gemacht.“
Beim Handball war es von Anfang an anders. Niemals hat eine der beiden auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dem Sport den Rücken zu kehren. Und das hat durchaus etwas mit der Präsenz der anderen Zwillingshälfte zu tun. „Man hat einfach einen Ankerpunkt in der Mannschaft“, sagt Laura Kaulfuß. „Und immer jemanden, der einen zum Training mitnimmt“, ergänzt ihre Schwester. So durchliefen die beiden die Jugendmannschaften synchron. Von der F- bis zur B-Jugend. Im Gleichschritt übersprangen dann beide die A-Jugend, um sich gleich im Frauenteam zu etablieren: Laura im rechten Rückraum, Michelle in der Mitte oder links. Dort, wo ihre Stärken am besten zur Geltung kommen. Vor allem der Wurf der beiden ist eigentlich waffenscheinpflichtig.
Hobby soll Hobby bleiben
Schon länger stellt sich die Frage, ob die beiden nicht zu Höherem berufen sind. Auf Landesebene, also eine Klasse weiter oben als im Moment, haben die Zwillinge bereits gespielt – im Nachwuchs. „Rein sportlich würden wir uns sogar noch mehr zutrauen“, sagt Michelle Kaulfuß. Doch ein Wechsel zu einem anderen Verein, der dies ermöglichen würde, komme nicht infrage. „Das würde mit ganz anderen Trainingsumfängen einhergehen und man müsste sein Leben komplett darauf abstellen“, betont sie. Zumal auch die persönlichen Planungen eher in Richtung Sesshaftigkeit weisen. Laura Kaulfuß hat ihr Masterstudium Kundenbeziehungsmanagement an der TU Chemnitz im Herbst erfolgreich abgeschlossen und arbeitet jetzt bei einem Unternehmen in Gornsdorf im Bereich Datenanalyse. Michelle Kaulfuß darf sich seit kurzem Politikwissenschaftlerin nennen und engagiert sich im Zwönitzer Stadtrat für die Fraktion „Mit Mut für Zwönitz.“ Zudem haben beide in ihrem Sportverein auch andere Aufgaben übernommen. Als Zeugwartin ist Michelle unter anderem für die Beschaffung sämtlicher Spielutensilien zuständig, von den Trikots bis zum Harz. Laura kümmert sich um den Social-Media-Bereich, betreut die Homepage sowie den Auftritt ihres Klubs bei Instagram.
Kader auf Kante genäht
Bleibt also die Perspektive mit dem eigenen Verein. Da heißt es, das räumen die Schwestern ein, erst einmal kleinere Brötchen backen, mehr als der Klassenerhalt in der Verbandsliga sei auf absehbare Zukunft nicht drin. Der Kader sei auf Kante genäht, schon im Training würden oft Spielerinnen fehlen – wegen Schichtarbeit, Schwangerschaft oder Verletzungen. Gerade Michelle Kaulfuß kennt sich damit auch aus – sie musste im vergangenen Jahr wegen eines Kreuzbandrisses lange pausieren. Im Bedarfsfall auf Akteurinnen aus der zweiten Mannschaft zurückzugreifen, die in der unterklassigen Regionsliga spielt, sei ebenfalls schwierig. „Da liegen vom Niveau her zu viele Ligen dazwischen“, betont sie, um mit einem Schmunzeln nachzuschieben: „Wir schauen schon ein bisschen neidisch auf die Männer und deren breiten Kader.“ Ein Grund, Trübsal zu blasen, sei das aber alles nicht, denn sportlich sei man auf Kurs und die Stimmung im Team sei sehr gut. „Und wir beide“, so die Schwestern unisono, „haben noch viele Jahre im Tank.“